Internationale Werkstatt mit Abschlusspräsentationen | Bericht aus Chișinău, Tscherniwzi und Grodno


06-12-2020 | Alexandru Bejenaru, Lilija Schutjak, Oleksii Yakoviichuk, Krystsina Marchuk

Am 6. Dezember 2020 fand das letzte Online-Seminar der Teilnehmer des digitalen Projekts «Vermessung der Ghettos: Grodno – Czernowitz – Chişinău« aus der Republik Moldau, der Ukraine und Belarus statt. Während dieser Veranstaltung präsentierten und diskutierten Studenten und Schüler aus den drei Ländern die Ergebnisse ihrer Mikroprojekte, an denen sie fast zwei Monate gearbeitet haben.

 

Chișinău

Die erste Gruppe der Teilnehmer aus der Republik Moldau (Cătălina Plinschi, Mihaela Cebotari, Alexandru Sumnevici und Cătălin Vacarciuc) präsentierte ihren Film «Vermessung des Ghettos«. Video- und Fotosequenzen mit einer Dauer von 25 Minuten geben einen Einblick in die Geschichte des Ghettos von Chișinău und zeigen eine digitale Karte und Interviews mit Passanten der moldauischen Hauptstadt zum Thema Holocaust-Erinnerung. Die Teilnehmer wurden von ihren Kollegen aus Czernowitz und Grodno zum Ghetto befragt, was davon heute noch geblieben ist, zum Schicksal der Opfer sowie zu den Eindrücken, die sie durch die Interviews mit den Passanten in Chișinău gewinnen konnten.

Die zweite Gruppe moldauischer Studenten (Cristina Savin, Andrei Arpenti, Daniil Grosu) präsentierte ebenfalls einen selbstproduzierten Film und zwar «Geschichten aus dem Ghetto«, der in erster Linie die Erinnerungen der Überlebenden und Zeugen dieser Tragödie behandelt. Die Ergebnisse dieses Mikroprojekts wurden von den Teilnehmern des internationalen Projekts ausführlich diskutiert. Die Autoren beantworteten zahlreiche Fragen ihrer Kollegen, u.a. wie die lokale jüdische Bevölkerung zu harter Arbeit gezwungen wurde und welche Rolle die lokale Bevölkerung bei der Ermordung der Juden und bei der Plünderung und Enteignung der Güter der jüdischen Gemeinde spielte.

Das dritte Mikroprojekt mit dem Titel «Stolpersteine« wurde von Dumitru Rață und Virginia Guțu präsentiert. Es erzählt über die in Chișinău installierten Stolpersteine und ist in Form eines digitalen Portals in vier Kapitel gegliedert, in denen detaillierte Informationen zu den Geschichten der Familien, an die auf den Stolpersteinen erinnert wird, vermittelt werden, wie auch zu den Initiatoren dieses Projekts in der Republik Moldau und zur Geschichte des Ghettos in Chișinău und des Holocaust in Moldau. Auch diese Präsentation wurde von den anderen Teilnehmern sehr positiv aufgenommen und das Team konnte viele Fragen über die Initiatoren und Finanzierung dieses Projekts sowie über die Reaktion der Bevölkerung von Chișinău und der jüdischen Gemeinde auf die Stolpersteine beantworten.

 

Czernowitz

Die Teilnehmer stellten zwei Arbeiten vor. «Selma. Ein Talent im Ghetto« ist ein Multimedia-Projekt, das eine kurze Biografie der Lyrikerin enthält, ergänzt durch Grafiken der Teilnehmerin Olena Shalan und durch einzelne Fotos aus dem Leben Selma Meerbaum-Eisingers. Der zweite Teil des Mikroprojekts umfasst ein Interview mit dem Literaturkritiker und Übersetzer Petro Rychlo in Form eines Podcasts. Ergänzt wird dieses Gespräch durch Selmas Gedichte in ukrainischer und deutscher Sprache, die von den Teilnehmerinnen und der Literaturwissenschaftlerin Oxana Matiychuk speziell für dieses Projekt eingelesen haben. Im dritten Teil ihrer Arbeit setzen sie sich von einer anderen Seite mit dem Thema auseinander. «Uns haben Selmas Gedichte sehr inspiriert», berichtet Iryna Filipchuk. «Deshalb haben wir aus all ihren Gedichten einige Sätze ausgewählt, um sie lebendig zu halten, und dazu Materialien entwickelt (Notizbücher, Sticker, Tragebeutel), die kostenlos zum Download bereit stehen und beispielsweise in den Schulen verwendet werden können. Und Olena Shalan fügt an: «Wir glauben, dass wir auf diese Weise ein größeres Publikum erreichen können und es dadurch mehr über das Projekt erfährt».

Ein weiteres Projekt wurde von Czernowitzer Teilnehmern in Form eines Blogs realisiert. Hier zeigen die Schüler und Studenten anhand ihrer eigenen Geschichte und Herangehensweise, wo und wie man heutzutage noch Informationen über das Ghetto finden kann. Sie beschreiben alle ihre Recherchephasen aus einer persönlichen Perspektive.

 

Grodno

Die Teilnehmer aus Grodno präsentierten zwei Mikroprojekte: «Audioguide des Ghettos Grodno Nr. 1» und «Ghetto Grodno in Infografiken».

Dank des Audioguides kann jeder Einwohner der Stadt oder Tourist Online-Podcasts herunterladen oder anhören und selbstständig die Orte aufsuchen, die mit der Geschichte des Ghettos Nr. 1 verbunden sind. Es existierte auch das Ghetto Nr. 2 in Grodno, aber es sind sehr wenige Informationen darüber vorhanden.Die Route des Audioguides umfasst zwölf Stationen: die Synagoge, den Ghettoeingang, den Ort, wo in einer gesprengten Kirche die Habseligkeiten der Gefangenen aufbewahrt wurden, sowie die Häuser, in denen Juden ihre Wertgegenstände versteckten, in der Hoffnung, eines Tages in ihre Heimatstadt zurückzukehren. Am Audioguide arbeiteten alle Teilnehmer. Mikita Tsimakou las die Begleitkommentare der Tour auf Russisch, Ekaterina Dedushkina auf Englisch und Ales Radziuk auf Belarussisch ein. Deutsche und polnische Versionen werden in Kürze ebenfalls verfügbar sein.

Ein weiteres Ergebnis der Arbeit des gesamten Teams sind sieben Infografiken über die Geschichte des Ghettos. Die grundlegenden Fakten über das Leben der Juden im besetzten Grodno werden prägnant und übersichtlich dargestellt. Die Idee des Mikroprojekts ist es, dass die Infografiken als Poster oder Handouts ausgedruckt und in Schulen im Unterricht über den Holocaust verwendet werden können.

«Unsere Teilnehmer haben mich mit ihrer Fähigkeit beeindruckt, sich selbst zu organisieren, Termine selbst festzulegen und ohne externe Kontrolle zu arbeiten. Der Audioguide und die Infografiken sind vollständig ihre Ideen. Ich hatte eine etwas andere Vorstellung von den Mikroprojekten, aber die Studenten hörten mir nicht zu, und das war die richtige Entscheidung! Ich habe ihnen hauptsächlich bei der historischen Forschung geholfen», sagte Ales Radziuk, Projektkoordinator in Grodno.